Volkskrankheit Depression
Weltweit kämpfen über 300 Millionen Menschen mit Depressionen. Tendenz steigend.
Was verursacht dieses, noch immer oft unterschätzte, Seelentief?
Die gängigste Erklärung ist, dass die psychischen Beschwerden durch ein Ungleichgewicht oder Mangel bestimmter Neurotransmitter im Gehirn entstehen. Diese sogenannte Monoamin-Hypothese ist schon seit vielen Jahren die bekannteste, inzwischen aber sehr umstrittene, Theorie.
Die Depression ist eine äußerst komplexe Erkrankung. Erfahrene Ärzte und Heilpraktiker vermuten schon lange, dass die Beschwerden nicht immer nur dadurch entstehen, weil von bestimmten Botenstoffen zu viel oder zu wenig vorhanden sind.
Ursachen
Es gibt zahlreiche Ursachen, welche die Entstehung dieser psychischen Erkrankung begünstigen können. Hier ein paar Beispiele:
- Familiäre Veranlagung
- chronischer Stress
- traumatische Ereignisse
- Missbrauch
- chronische Entzündungen
- Nebenwirkung von Medikamenten
- Drogenkonsum
- einseitige Ernährung
- Magnesiummangel
- Vitamin B12-Mangel
- Folsäuremangel
- Zinkmangel
- Schilddrüsenerkrankungen
- Tumorerkrankungen
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Neurotransmitter
Auch wenn man diese komplexe Erkrankung nicht auf einen Mangel an Serotonin oder Noradrenalin reduzieren sollte, darf man die Bedeutung des Neurotransmitterhaushalts bei Depressionen natürlich nicht unterschätzen. Botenstoffe sind Substanzen, die Informationen von Neuron zu Neuron weiterleiten. Das Gleichgewicht dieser komplexen Abläufe kann bei depressiven Beschwerden gestört sein. Beispielsweise können Rezeptoren gegenüber einem bestimmten Neurotransmitter überempfindlich oder unempfindlich sein, was dazu führt, dass ihre Reaktion auf seine Freisetzung übermäßig oder unzureichend ist. Bestimmte Antidepressiva können die Konzentration dieser Neurotransmitter in den Synapsen erhöhen und in 40-60% der Fälle scheint dieser medikamentöse Eingriff in das Botenstoffsystem auszureichen um depressive Symptome zu lindern.
Neurotransmitter, die im Zusammenhang mit Depressionen stehen
- Acetylcholin beeinflusst das Gedächtnis und spielt eine Rolle beim Lernen und Erinnern.
- Serotonin reguliert Schlaf, Appetit, Stimmung und die Schmerzwahrnehmung. Niedrige Serotoninspiegel galten lange Zeit als Hauptauslöser für depressive Beschwerden und werden mit einem höheren Suizidrisiko in Verbindung gebracht.
- Noradrenalin verengt die Blutgefäße und erhöht den Blutdruck. Es wirkt antriebssteigernd, kann aber auch Ängste verstärken.
- Dopamin beeinflusst die Bewegungssteuerung und Motivation. Der Dopaminhaushalt scheint auch die Wahrnehmung der Realität zu beeinflussen. Erhöhte Dopaminspiegel werden beispielsweise mit Psychosen in Verbindung gebracht. Es ist auch am Belohnungssystem des Gehirns beteiligt und spielt daher eine wichtige Rolle bei Suchterkrankungen.
- Glutamat ist ein exzitatorischer bzw. erregender Neurotransmitter und ist beteiligt bei der Entstehung von bipolaren Störungen und Schizophrenie. Lithiumcarbonat, ein bekannter Stimmungsstabilisator zur Behandlung von bipolaren Störungen, konnte in einer Studie Neuronenschäden im Gehirn von Ratten vorbeugen, die hohen Glutamatspiegeln ausgesetzt waren. Andere Forschungsarbeiten kommen zu dem Ergebnis, dass Lithium den Glutamathaushalt positiv beeinflussen kann und dadurch eine stabilisierende Wirkung bei bipolaren Störungen hat.
- Gamma-Aminobuttersäure (GABA) ist ein hemmender Neurotransmitter. Verschiedene angstlösende Medikamente und Drogen wirken auf GABA-Rezeptoren.
Betroffene Gehirnregionen
Durch die Verwendung moderner bildgebender Technologien kann man inzwischen besser verstehen, welche Gehirnregionen die Stimmung regulieren und bei der Entstehung von Depressionen beteiligt sind. Bereiche, die eine wichtige Rolle spielen, sind die Amygdala, der Thalamus und der Hippocampus.
- Amygdala: Die Amygdala ist Teil des limbischen Systems, ein Bereich des Gehirns, der mit Emotionen wie Wut, Vergnügen, Trauer, Angst und sexueller Erregung verbunden ist. Die Amygdala wird beispielsweise aktiviert, wenn sich eine Person an eine emotional aufgeladene Situation erinnert, wie z.B. einen Unfall. Die Aktivität der Amygdala ist bei depressiven Menschen oft chronisch erhöht und diese gesteigerte Aktivität bleibt meist auch nach Besserung der Symptome bestehen.
- Thalamus: Der Thalamus empfängt sensorische Informationen und leitet sie an den entsprechenden Teil der Großhirnrinde weiter, ein Bereich, der z.B. für die Steuerung von Sprache, Bewegung, Denken und Lernen zuständig ist. Man vermutet, dass bipolare Störungen auch durch Probleme im Thalamus verursacht werden können.
- Hippocampus: Der Hippocampus ist Teil des limbischen Systems und spielt eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung von Erinnerungen. Das reibungslose Zusammenspiel zwischen Hippocampus und Amygdala beeinflusst die Aufarbeitung von traumatischen Erlebnissen.
Verkleinerter Hippocampus
Der Hippocampus ist bei vielen depressiven Menschen verkleinert. In einer im Journal of Neuroscience veröffentlichten Studie untersuchten Forscher 24 Frauen mit Depressionen. Im Durchschnitt war der Hippocampus bei den depressiven Probandinnen 9 bis 13% kleiner als bei den gesunden Teilnehmerinnen. Je schwerwiegender die Symptome, desto kleiner war der Hippocampus. Stress, der bei der Entstehung von Depressionen eine wichtige Rolle spielt, scheint hier ein Schlüsselfaktor sein.
Man geht davon aus, dass chronischer Stress die Produktion neuer Neuronen im Hippocampus unterdrücken kann.
Warum brauchen SSRI so lange bis sie wirken?
Wissenschaftler untersuchten mögliche Zusammenhänge zwischen dem eingeschränkten Wachstum von Nervenzellen im Hippocampus und negativen Emotionen. Es ist eine bekannte Tatsache, dass Antidepressiva wie SSRI recht schnell die Neurotransmitterkonzentration im Gehirn erhöhen können. Betroffene fühlen sich aber trotzdem in der Regel erst nach etwa 3-4 Wochen der Einnahme besser.
Man fragte sich lange Zeit, warum es den Patienten nicht wesentlich schneller besser geht, wenn die Erkrankung wirklich hauptsächlich auf niedrige Neurotransmitter-Spiegel zurückzuführen ist, die man in der Tat innerhalb weniger Stunden durch Antidepressiva erhöhen kann.
Die Antwort könnte sein, dass sich die Stimmung erst dann verbessert, sobald sich die Struktur des Hippocampus verändert, d.h. neue Nervenzellen wachsen und stabile Verbindungen gebildet werden. Das ist ein Prozess, der mehrere Wochen dauert. Tatsächlich konnte in Studien gezeigt werden, dass Antidepressiva die Neurogenese ankurbeln können. Man vermutet also logischerweise, dass der wahre Nutzen dieser Medikamente darin besteht, indirekt das Neuronenwachstum zu stimulieren und die synaptische Plastizität zu verbessern.
Neurogenese und synaptische Plastizität
Man weiß also inzwischen, dass die Struktur von Nervenzellverbindungen und das Nervenzellwachstum, vor allem im Hippocampus, eine wichtige Rolle bei der Pathogenese spielen und es ist richtig, dass z.B. mit der Veränderung des Serotoninspiegels durch Antidepressiva wie SSRI, langfristig die neuronale Plastizität verbessert und die Neuronenbildung gefördert wird.
Die Neurogenese kann aber auch durch Psychotherapien, nicht-serotonerge Antidepressiva, ausreichend Bewegung, eine gesunde Ernährungsweise, bestimmte Mikronährstoffe und pflanzliche Substanzen positiv beeinflusst werden.
Das Wachstum der Nervenzellen und die neuronale Plastizität stehen also nicht zwingend in Zusammenhang mit einem höheren Serotoninspiegel.
Erfahrene Ärzte und Heilpraktiker wissen, dass die Erhöhung bestimmter Neurotransmitterspiegel im Gehirn nur eine von vielen Möglichkeiten ist, die Neurogenese zu stimulieren.
Depression – eine entzündliche Erkrankung?
Einige Forscher sind der Meinung, dass ein Überschuss entzündungsfördernder Zytokine eine wesentliche Rolle bei der Pathogenese dieser psychischen Erkrankung spielt. Man vermutet, dass chronisch-entzündliche Prozesse im Körper zu Veränderungen in den Neurotransmittersystemen führen und dadurch psychische Symptome verursachen können. Entzündungen scheinen auch die Wirksamkeit von Antidepressiva zu beeinträchtigen. Es konnte in Studien gezeigt werden, dass Patienten mit hohen Entzündungsmarkern schlechter auf gängige Antidepressiva ansprachen.
Gesundheitliche Probleme als Auslöser für Depressionen
Bestimmte Erkrankungen stehen in Zusammenhang mit Stimmungsstörungen und depressiven Beschwerden.
Zu den bekanntesten Auslösern zählen beispielsweise Schilddrüsenerkrankungen. Eine Überfunktion kann manische Symptome auslösen. Auf der anderen Seite führt eine Unterfunktion häufig zu Erschöpfung und gedrückter Stimmung.
Beispiele für Erkrankungen die mit Depressionen und psychischen Störungen in Verbindung gebracht werden:
- Neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Parkinson, Alzheimer und Huntington-Krankheit
- Herzerkrankungen
- Schlaganfall
- Vitamin B12-Mangelanämie
- endokrine Störungen, wie Probleme mit der Nebenschilddrüse oder den Nebennieren
- bestimmte Autoimmunerkrankungen wie Lupus
- Virusinfektionen wie Mononukleose, Hepatitis und HIV
- Krebs
- erektile Dysfunktion
Um herauszufinden, ob psychische Beschwerden und Stimmungsschwankungen eigenständige Probleme sind oder die Folge einer Erkrankung, ist eine gründliche Anamnese und Untersuchung erforderlich.
Therapien kombinieren
Die medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva zeigt bei ca. 30-40 % der Betroffenen keine ausreichende Wirkung. Daher ist es wichtig, auch Lösungen für Patienten zu finden, die nicht oder nur unzureichend auf gängige Medikamente ansprechen.
Das Ziel einer erfolgreichen Therapie, sollte letztendlich nicht nur eine akzeptable Wiederherstellung der „Funktionstüchtigkeit“ sein. Verschiedene Behandlungsmethoden können einander ergänzen und hilfreich für den Patienten sein.
Erfahrene Ärzte und Heilpraktiker wissen, dass es bei komplexen Erkrankungen wie Depressionen sinnvoll sein kann, Therapien zu kombinieren, um Betroffene bestmöglich zu unterstützen. Bei einer ganzheitlichen Behandlung gibt es kein entweder – oder.
Neben der medikamentösen Behandlung können eine begleitende Ernährungstherapie, moderate Bewegung, eine optimierte Mikronährstoffversorgung und pflanzliche Wirkstoffe entzündliche Prozesse positiv beeinflussen und BDNF-Spiegel im Gehirn erhöhen. Der Wachstumsfaktor BDNF fördert Wachstum, Regeneration und Entstehung neuer Neuronen im Hippocampus, der, wie schon erwähnt, bei Betroffenen oft verkleinert ist.
Im Idealfall sollte eine Psychotherapie immer Grundlage einer Depressionsbehandlung sein.
Frühzeitig reagieren
Die Depression ist eine äußerst hartnäckige Erkrankung, die in vielen Fällen, nicht einfach so in ein paar Wochen verschwindet. Auch wenn die schlimmste Phase überstanden ist und die Betroffenen wieder einigermaßen „funktionieren“, kann es noch Monate, in schweren Fällen auch Jahre dauern, bis der gewünschte Normalzustand wieder erreicht ist.
Daher ist es sehr wichtig, frühzeitig auf Symptome zu reagieren und Hilfe zu suchen, da diese Erkrankung gerade in der Anfangsphase oft gut behandelbar ist.
Ich berate und unterstütze ich Sie gerne in meiner Praxis in Augsburg.